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Friedrich-von-Alberti-Gymnasium
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Seminarkurs 2017/18 Ru

Sich den Problemen stellen
Soziale Verantwortung als gesellschaftliche Herausforderung

Der Seminarkurs nimmt Fahrt auf

„Armut ist ein Verliererthema“, sagt der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftler Stefan Sell und versucht damit zu erklären, warum arme Menschen weder in der Politik noch in der Wissenschaft groß zum Thema werden.
Die Schülerinnen und Schüler der J1, die den Seminarkurs besuchen, wollen nicht wegschauen. Sie haben sich dafür entschieden, sich den brennenden sozialen Fragen unserer Gesellschaft zu stellen und sich intensiv mit der sozialen Verantwortung als gesellschaftlicher Herausforderung auseinanderzusetzen.
„Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.“ So heißt es im Artikel 20 unseres Grundgesetzes. Was das bedeutet und welche Konsequenzen sich daraus ergeben, darüber haben wir uns zunächst informiert.

Am 10.10.17 hatten wir schließlich A. Sommer zu Gast, Geschäftsführer der Diakonischen Bezirksstelle Neuenstadt und besonders für Sozial- und Lebensberatung zuständig. Mit der Diakonie, dem sozialen Dienst der ev. Kirche, stellte uns Herr Sommer einen der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege vor, die eine wichtige Säule unseres Sozialstaates sind.
Er gab uns Einblicke in die vielfältigen Aufgabenfelder der Diakonie (30000 diakonische Angebote, 450000 hauptamtliche Mitarbeiter) und in seine eigene Arbeit. Es war dabei immer wieder spürbar, dass es um Menschen geht, Menschen, mit ihren je eigenen Problemen und Schicksalen mitten in unserer Gesellschaft. „Taschentücher braucht man in der Beratungsstelle öfter“, so Sommer. Gleichzeitig war aber auch spürbar, dass die diakonische Arbeit eine zutiefst erfüllende Arbeit ist.

Herr Sommer besucht den Seminarkurs

In der folgenden Seminarkurssitzung schauten wir genauer auf die Armut in Deutschland und informierten uns über die sogenannten Tafelläden, die immer zahlreicher und größer werden.
Gut vorbereitet machten wir uns am 17.10.17 auf nach Heilbronn zum Sammellager der Diakonie. Dort erwartete uns M. Weiler, der für die Tafeln der Diakonie im Heilbronner Land zuständig ist.
Es folgt nun der Bericht von Hope Adamek und Daimon Mayerhöffer.

Seminarkurs besucht Tafelzentrum Heilbronn

von Hope Adamek und Daimon Mayerhöffer
„Es ist nicht immer einfach für unsere Mitarbeiter, aber die soziale Arbeit gibt ihnen auch etwas zurück!“
Das Zentrallager der Diakonie für die Tafelläden im Landkreis Heilbronn war das Ziel des Seminarkurses 2017/18 in Begleitung ihres Kursleiters Herr Rummel. Wir danken Herrn Weiler, der für die Tafeln im Heilbronner Land zuständig ist, für die Führung durch das Warenlager und ein interessantes Gespräch.

Blick in das Sammellager der Diakonie

Tafelläden im Landkreis: Im Landkreis Heilbronn gibt es neben 14 festen Tafelläden auch einige mobile Fahrtafeln, welche einem bestimmten Fahrplan folgen und immer zu gleichen Zeiten an bestimmten Orten ihren Laden als Marktstand aufbauen und anschließend zum nächsten Ort weiterfahren.
Das Ziel der Tafel ist es, Bedürftige mit Lebensmitteln zu unterstützen, die in den Supermärkten aussortiert werden, weil sie nahe am Verfallsdatum oder knapp darüber sind. Die Tafel ist auf die Kooperation mit den Supermärkten angewiesen. Für die Supermärkte ist es wiederum ein Imagegewinn, mit den Tafeln zusammenzuarbeiten, damit nicht einwandfreie Lebensmittel sinnlos auf dem Müll landen.
Herr Weiler ist es wichtig zu betonen, dass die Tafel eine Hilfe für Menschen in der Not ist, dass sie aber nicht aus der Not heraushelfen kann. Er kennt die Diskussion um die Tafeln, die sich zunehmend mit der Kritik konfrontiert sehen, ein „Pannendienst für den Sozialstaat“ zu sein.

Das Tafelteam: Das Tafelzentrum besteht aus 12 fest angestellten Mitarbeitern und 250-300 Ehrenamtlichen, die sich beispielsweise bei den Fahrdiensten engagieren. Daneben gibt es ca. 100 „Ein – Euro-Jobber“, eine geförderte Eingliederungsmaßnahme für Bezieher von Arbeitslosengeld II. Außerdem sind auch Praktikanten und Sozialdienstleistende bei den Tafeln zu finden.

Die Kunden: In den Tafeln können Personen mit geringem Einkommen Lebensmittel zu symbolischen Preisen erwerben. Den dafür erforderlichen Ausweis kann die Tafel – nach Vorlage entsprechender Dokumente – selbst ausstellen. Als „Bedürftige“ gelten Menschen, deren Einkommensgrenze in der Regel den Grundsicherungsbetrag nicht überschreitet. Herr Weiler nennt ausdrücklich „Hartz IV – Empfänger, Rentner und Geringverdienende“. Zurzeit besitzen 12000 Personen im Landkreis einen Tafelausweis. Jedoch wären allein im Landkreis Heilbronn mehr als drei Mal so viele Menschen zu einem solchen Ausweis berechtigt! Was sie daran hindert, die Unterstützung in Anspruch zu nehmen, ist nicht zuletzt die Scham. Menschen schämen sich ihrer Armut. Sie möchten von Nachbarn und Bekannten nicht gesehen werden und suchen deshalb – wenn überhaupt – nicht die Tafel vor Ort auf. Für die Tafelarbeit ist es deshalb immens wichtig, einen geschützten und vertraulichen Rahmen zu schaffen.

Sonderfall BW: Die Tafeln in Baden-Württemberg unterscheiden sich von den anderen Bundesländern dadurch, dass hier die Lebensmittel nicht fertig in Tüten abgepackt angeboten werden, sondern die Bedürftigen die benötigten Waren gegen einen symbolischen Wert wie in einem Supermarkt einkaufen können. „Auch jemand der arm ist, soll die Wahlmöglichkeit haben.“

Armut und Menschenwürde: Auf eine sehr einfühlsame Art versteht es Herr Weiler, uns verständlich zu machen, dass Armut zu Ausgrenzung und Vereinsamung führt und die Menschenwürde immer wieder bedroht.
2009 hat er seinen Job in der freien Wirtschaft für die Arbeit bei der Diakonie aufgegeben.
Die Arbeit bei der Diakonie habe ihm „eine neue Welt aufgeschlossen“. Er lebe jetzt „offener, ehrlicher und authentischer“.

Und wenn ich Hilfe brauche – was dann?

Der Seminarkurs 2017/18 „Die soziale Verantwortung als gesellschaftliche Herausforderung“ hat es sich zur Aufgabe gemacht, hinter die Fassade unserer schönen glitzernden Wohlstandswelt zu blicken. Tag für Tag wird uns suggeriert, dass wir die Macher unseres Lebens, die Schmiede unseres Glückes sind. Wenn wir uns nur anstrengen und immer funktionieren, dann wird das schon mit der Karriere, der Familie, dem erfüllten Leben.
Und wenn nicht, wenn ich Hilfe brauche, was dann? „Selber schuld“? „Pech gehabt“?
Wir haben uns Tina Wenk eingeladen, die bei der Diakonie Heilbronn im Bereich „Ambulante erzieherische Hilfen“ arbeitet. Sie hat uns ihre Arbeit vorgestellt und dabei wurde uns schnell klar, dass diese Frage die entscheidende Herausforderung für eine soziale und gerechte Gesellschaft ist.

Es folgt nun der Bericht von Saitha Thirunamasanmugam und Annika Bühler:
Am 7.11.17 war in unserer Seminarkurssitzung Frau Wenk von der Diakonie Heilbronn zu einem weiteren Expertengespräch zu Gast. Sie ist im sozialpädagogischen Bereich tätig und ist Teil der „Ambulanten Erzieherischen Hilfen “, kurz AEH. Um uns einen Überblick über die Aufgabenbereiche der AEH zu verschaffen, hielt sie uns eine PowerPoint-Präsentation.
Die Auftraggeber der AEH sind das Jugendamt und der Allgemeine Soziale Dienst (ASD) Heilbronn.
Wichtige Bereiche sind beispielsweise die Sozialpädagogische Familienhilfe (SPFH) und die Erziehungsbeistandschaft (EBS). Grundsätzlich ist das Ziel der AEH, sozial benachteiligten Familien, insbesondere bei Erziehungsfragen und -problemen, aber auch bei allgemeinen Familienangelegenheiten, unter die Arme zu greifen und die Lebenssituation nachhaltig zu stabilisieren. Das kann von der Säuglingshilfe über Erziehungsfragen und dem Beistand bei familiären Konflikten bis zur Hilfe bei der Verselbstständigung junger Erwachsener gehen. Ziel ist stets die Hilfe zur Selbsthilfe. Angedacht ist, maximal ein Jahr in einer Familie zu helfen, was aber oft nicht realisierbar ist. Schwierigkeiten bei der Arbeit in der AEH sind zum Beispiel, dass die nächsten Generationen der Familien oft wieder Hilfe benötigen, dass es zu rechtlichen Problemen, zum Beispiel durch Verschuldung, kommt oder dass man während der Beratungszeit immer wieder Rückschläge hinnehmen bzw. mit Rückschlägen rechnen muss.
Die Klienten der AEH kommen aus unterschiedlichen Lebensverhältnissen und Gesellschaftsschichten. Unter ihnen befinden sich nicht nur Arbeitslose, Hartz IV-Empfänger und Flüchtlinge, sondern auch Personen mit höherem Einkommen, die beispielsweise psychisch erkrankt sind, oder einfach Hilfe bei der Erziehung ihrer Kinder benötigen, weil sie alleine nicht mehr zurechtkommen.
Am Beispiel einer alleinerziehenden Mutter mit Kind und einer syrischen Familie machte Frau Wenk sehr eindrücklich deutlich, in welch schwierige Lebenssituationen Menschen geraten können und wie wichtig und vielschichtig hier professionelle Hilfe ist. Große Bedeutung haben dabei die immer wieder stattfindende kollegiale Beratung und die Begleitung der sozialpädagogischen Arbeit durch Supervision. Frau Wenk öffnete uns den Blick dafür, dass die Gesellschaft hohe Anforderungen an den Einzelnen stellt und die Soziale Arbeit deshalb auch als Vermittlungsfunktion verstanden werden kann und muss, um die Anforderungen dieser Gesellschaft zu erfüllen.
Zusammenfassend waren die Informationen von Frau Wenk sehr aufschlussreich. Ihr Appell an uns ist, dass jeder Bürger etwas zum Sozialwohl beitragen kann und auch sollte und es sehr viele Möglichkeiten dazu gibt.

Mitarbeit im Tafelladen Neckarsulm

Im Seminarkurs wollen wir uns nicht nur theoretisch mit der sozialen Arbeit und der gesellschaftlichen Situation auseinandersetzen, sondern auch eigene Erfahrungen sammeln und reflektieren. So haben alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Seminarkurses einige Stunden im Tafelladen in Neckarsulm mitgearbeitet und sich einen Eindruck verschafft.

Es folgt der Bericht von Tamara Baar und Anna Grießl:
Die Tafeln des Diakonischen Werkes erhalten Lebensmittel und Pflegeprodukte von den umliegenden Supermärkten, Bäckereien und sonstigen Spendern. In der Regel stammen die Lebensmittel aus Überproduktionen, sind falsch etikettiert oder leicht beschädigt. In den Tafelläden werden diese Produkte zu günstigen Preisen verkauft, um Hilfsbedürftige, also Menschen mit geringem Einkommen, zu unterstützen. Sie arbeiten unabhängig vom Staat und staatlichen Institutionen. Die MitarbeiterInnen arbeiten dort freiwillig und meist ohne einen Lohn.
Im Stadt- und Landkreis Heilbronn werden über die Diakonie vier Tafelläden betrieben, zusätzlich werden durch das Tafelmobil verschiedene Orte angefahren. Es können immer nur so viele Lebensmittel verteilt werden wie auch gespendet wurden. Es gibt Produkte, die im Überfluss vorhanden sind, wie zum Beispiel Konserven mit Gemüse und Fisch. Produkte wie Zucker, Mehl, Milch, Eier oder Butter sind jedoch, wenn überhaupt, nur in sehr kleinen Mengen vorhanden.
Da Tafelläden ehrenamtlich betrieben werden, haben sie in der Regel eingeschränkte Öffnungszeiten. So ist der Tafelladen in Neckarsulm dienstags und freitags von 15.00 Uhr bis 16.30 Uhr geöffnet. Das Angebot wird in der Regel von circa 25 Leuten genutzt, an manchen Tagen können es aber auch bis zu 50 Personen sein.
Als wir am Freitag, den 17.11. gegen 13.45 Uhr im Neckarsulmer Tafelladen ankamen, sollten wir zuerst auf die neu angekommenen Produkte Preise schreiben und diese in die Regale einräumen. Meist werden die Originalpreise um circa 30% reduziert. Danach gab es eine kurze Kaffeepause, welche immer dazu genutzt wird, sich vor der Öffnung des Tafelladens noch etwas zu erholen und zu unterhalten. Ab 14.30 Uhr wurden an die bereits schon vor dem Laden wartenden Kunden die Nummern ausgegeben und die Tafelausweise eingesammelt, ohne die man dort nicht einkaufen kann. Die Nummern werden in einer zufälligen Reihenfolge ausgeteilt, damit jeder die gleichen Chancen hat die zur Verfügung stehenden Produkte zu erwerben.
Da der Tafelladen nicht besonders groß ist, können immer nur 10 Personen gleichzeitig einkaufen.
Von bestimmten Produkten dürfen pro Person nur eine bestimmte Anzahl gekauft werden, damit die anderen Käufer diese auch kaufen können. Einige Produkte werden in Rationen in die Regale gestellt, damit die letzten die gleiche Chance auf das Produkt haben wie die ersten.
Im Tafelladen Neckarsulm gibt es feste Einkaufsregeln, die in verschiedensten Sprachen als Hinweis an der Eingangstür angebracht sind. So müssen beispielsweise Kinderwägen draußen abgestellt werden und kleinere Kinder dürfen nicht mit einkaufen. Für diese gibt es aber eine kleine Sitzecke mit Büchern und etwas Süßem zum Verweilen. Wir wurden bei der Öffnung des Tafelladens aufgeteilt und durften bei der Obstausgabe an der Kasse und beim Einpacken helfen. Kleine Probleme gab es wenn Kunden beispielsweise frische Bananen wollten, es aber nur braune Bananen gab, weil sie ja nicht frisch geliefert werden. An der Theke, wo sich auch die Kasse
befand, duften sich die Kunden dann eine bestimmte Anzahl an Obst und Süßigkeiten aussuchen. Bevor die Kunden bezahlt haben, mussten wir ihnen noch ihre Ausweise zurückgeben, was ab und zu nicht ganz einfach war, da die Kunden auf ihren Fotos teilweise anders aussahen. Die meisten Kunden waren jedoch sehr freundlich und haben auch selbst geholfen, den richtigen Ausweis zu finden. Auffallend war, dass es hauptsächlich russischstämmige Kunden waren, aber auch deutsche, syrische und türkische Einkäufer aller Altersklassen.
frisch geliefert werden. An der Theke, wo sich auch die Kasse befand, duften sich die Kunden dann eine bestimmte Anzahl an Obst und Süßigkeiten aussuchen. Bevor die Kunden bezahlt haben, mussten wir ihnen noch ihre Ausweise zurückgeben, was ab und zu nicht ganz einfach war, da die Kunden auf ihren Fotos teilweise anders aussahen. Die meisten Kunden waren jedoch sehr freundlich und haben auch selbst geholfen, den richtigen Ausweis zu finden. Auffallend war, dass es hauptsächlich russischstämmige Kunden waren, aber auch deutsche, syrische
und türkische Einkäufer aller Altersklassen.
Viele Kunden nehmen das Angebot des Tafelladens dankbar in Anspruch, es gibt jedoch auch hin und wieder Kunden, die sich über die Preise beschweren oder sich nicht an die Regeln halten.
Anfangs hatten wir die Befürchtung, dass der Tag im Tafelladen sehr anstrengend und vielleicht sogar unangenehm werden könnte, jedoch war er sehr bereichernd und auch die Atmosphäre war insgesamt sehr angenehm. Es war sehr interessant, sich mit den ehrenamtlichen Mitarbeitern zu unterhalten und von ihren Erfahrungen mit der Tafelarbeit zu hören.